Meister Eckhart (2)

Thesen zu MEISTER ECKHART (M. E.) 17.11.05/18.11.

M. E. war wie vor ihm Albert der Große und später Nikolaus von Kues ranghoher, viel beschäftigter Ordensmann, scholastischer Gelehrter von höchsten Graden und Funktionen; wortgewaltiger und bildmächtiger, hochberühmter Prediger in der Volkssprache; Seelenführer (Lebe-, nicht Lese-Meister) und radikaler Denker, der Zuspitzungen und Paradoxien benutzt,  um  die (seine) Frohe Botschaft mitzuteilen.

Gelassenheit: selbst Gott lassen, sich seines Besitzes entäußern. Die Benutzung der Volkssprache, deren sich M. E. in virtuoser Weise bediente, verschärfte die – damals tödliche – Gefahr, der Ketzerei geziehen zu werden.

M. E. gehört zur Avantgarde seiner Zeit wie seinen älterer Ordensbruder Thomas oder ihrer beider Vorgänger Albert. Sie bilden mit anderen zusammen wie etwa Dietrich von Freiberg die Speerspitze der neuen Theologie. M. E. steht am Ende der Hochscholastik.

Anders als Duns Scotus ist für ihn Philosophie im Grunde Theologie und umgekehrt. In puncto Rechtfertigungs(Gnaden)lehre ist Luther durch Vermittlung Taulers sein Schüler: Gute Werke oder Exerzitien oder ähnliche Verdienste mögen gottgefällig sein, ein Platz im Himmel kann sich der Mensch dadurch nicht sichern. Nur in der vollkommenen geistigen (und weltlichen) Armut und Demut, nämlich der völligen Gelassenheit und Abgeschiedenheit, dem sich ganz und gar Freimachen von allem Eigenwillen, liegt eine Chance. Wie die Luft in jedes Vakuum einströmt, dringt das Göttliche in die menschliche Seele, die leer geworden ist, unwiderstehlich und mit Macht ein.

Der Tempel, aus dem Jesus die Händler vertreibt, ist die Seele eines jeden von uns. Als Händler versuchen wir mit Gott Tauschgeschäfte zu machen und uns auf diese Weise ein Plätzchen im Himmelreich zu sichern. Doch dafür ist er nicht zu haben. Hingegen zwingt ihn seine Liebe, wenn wir leer sind, in uns einzuströmen oder auch uns in sich hineinzuziehen. Ja wir zwingen ihn sogar dazu: Er kann gar nicht anders! M. E. geht so weit, zu sagen, dass wir Gott nicht um den rechten Glauben oder um ein Gott gefälliges Leben bitten sollen, sondern sogar darum, auch ihn selbst zu lassen. Weil auch noch das frömmste Bitten voller Ichbezogenheit sei, sollten wir darum bitten, hiervon befreit zu werden. Erst in der  Auflösung und Auslöschung meines ich wird Gotteserfahrung möglich, dann aber auch unvermeidlich.

Die Haltung äußerster Demut, die in menschliche Göttlichkeit umschlägt, ist mystisch und  berührt sich mit östlichen, insbesondere buddhistischen Haltungen und Erfahrungen. (Manche ziehen sogar eine Linie von Origenes (185-254), Plotin (205-270), Augustinus (354-430), Proklos (412-285), Dionysos Pseudo-Areopagitus (um 500) und Duns Scotus Eriugena (800-877) bis zu M. E. und schließen historischen Berührungen von östlichem Denken und neuplatonischen Strömungen (via Gnosis?) nicht aus. Der Handel über die Seidenstraße betraf nicht nur  seltenen Waren sondern auch Kunststile und kostbares Gedankengut.

Das Eine ist der Angelpunkt des Ganzen. Aus ihm kommen die ewigen Ideen, die Vernunft und der Verstand, die Weltseele, die Schöpfung und der Mensch. Und zu ihm kehrt alles zurück. Dieses Eine ist jenseits von Raum und Zeit. In ihm ist alles versammelt wie in einem mathematischen Punkt. Sozusagen das Neutrino des Urknalls?!?

Was das menschliche Erkennen betrifft, unterscheidet M. E. zwischen dem äußeren Wahrnehmungsapparat Auge, Ohr, Nase und Tastsinn etc. und dem inneren Sinn und beschreibt den Übergang von außen nach innen. Die äußerlichen Wahrnehmungen (wir würden sagen die physikalischen Signale) werden  an die (niedere) Seelenkraft des Begehren geleitet. Das Begehren unterbereitet diese (auf einer ersten Stufe zusammen gefassten) Signale der höheren Seelenkraft der Betrachtung (Anschauung), und die Anschauung wiederum bietet sie der Vernunft zur Prüfung dar. Das so Angeschaute („Eräugte“= Ereignis) wird im Gedächtnis gespeichert, vom Verständnis erfasst und vom Willen erfüllt.

Ein Beispiel für  den theologischen Rigorismus M. E.’s im Originalton:

„Von wizzenne sol man komen in ein unwizzen. Got ist namelôs, wan von ime kann nieman niht gesprechen noch verstân … Sprich ich nû: gôt ist guôt, ez ist niht wâr, mêr: ich bin guot, got ist niht guot….Spriche ich ouch: got ist wîse, ez ist niht wâr: ich bin wîser denn er. Spriche ich ouch: got ist ein wesen, ez ist niht wâr: er ist ein überswebende wesen und ein überwesende nihtheit.“

Den letzten Satz interpretiert E. selbst so: „Daz ich aber gesprochen habe, got sî niht ein wesen unde sî überwesen, hiemit enhabe ich im niht wesen abe gesprochen, sunder ich habe ez in ime gewirdiget unde gehoehet.“

Ein lebender Körper ist beseelt. Darin besteht seine Lebendigkeit. Diese Seele (Lebenskraft) durchdringt den Körper in allen seinen Teilen, sprich: jede Faser ist beseelt.

Der Kern der Seelen (das Seelenfünklein) ist göttlich, es ist Teil Gottes, so wie der Gottessohn nach (damaliger) christlicher Lehre von Gott und bei Gott ist, d. h. mit dem Vater Wesensgleich, Gott und Mensch zugleich.

Gottheit lässt sich stets nur negativ bestimmen als das ganz Andere. Gott ist die Sub-Stanz, der Urgrund alles Seienden, das Sein, der Grund, der seinerseits ohne Grund ist. Aus Ihm fließt alles Seiende und zwar fortwährend, wie das Sonnenlicht aus der Sonne; der Vater (Erzeuger) gebiert immerfort den Sohn (das Erzeugte). Der Gottessohn wird in jeder menschlichen Seele geboren. Die Seele jedes Menschen hat Teil an Gott. Der Sohn ist die gesamte Schöpfung.

Abgeschiedenheit

Armut im Geiste. Sich selbst, seine Existenz aufgeben, um zu existieren (Goethe). Im Gebet Gott darum bitten, dass ich auch Gott verliere. Erst wenn ich nicht einmal mehr wünsche, gottgefällig zu sein, bin ich empfangsbereit für das Göttliche in seiner Fülle. Gott, das Göttliche fließt dann unwiderstehlich in mich hinein, wie das Vakuum Wasser bergauf fließen lässt.

Bildung ist eine Wortprägung von Meister Eckhart. Er fordert aber zugleich auch Ent-bildung!

Wenn einer wie Paulus bei seiner Bekehrung in Gott versunken ist, und ein Armer kommt und ein Süpplein benötigt, koche er ihm das Süpplein! Aber nicht als besonderes Verdienst, sondern als schlichter Ausdruck  von Solidarität, Brüderlichkeit, Liebe.

ZITATE

Das Versinken in die Gottheit ist im Grund ebenso ein Sturz in den Abgrund des Nichts.

Gott ist ein solches, dessen Nichts die ganze Welt erfüllt, sein Etwas aber ist nirgends.

Leonardo:

Das Nichts hat keine Mitte, und seine Grenzen sind das Nichts. Unter den großen Dingen, die unter uns zu finden sind, ist das Sein des Nichts das Größte.

Goethe:

Was sich dem Nichts entgegenstellt/Das Etwas, diese plumpe Welt.

Menschen

«Es weiss immer ein Esel einen anderen zu schätzen.»

«Alle Dinge müssen; der Mensch allein ist das Wesen, welches will.»

«Im Schweigen mag der Mensch am ehesten seine Lauterkeit bewahren.»

«Es gibt keinen besseren Maßstab als das Vertrauen. Liebe kann nicht misstrauen.»

«Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart. Der wichtigste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht. Das notwendigste Werk ist stets die Liebe.»

Frauen und Männer «Unter Diskussionen verstehen Männer die Kunst, den Partner zum Schweigen zu bringen. Frauen verstehen darunter die Kunst, den Partner nicht zum Reden kommen zu lassen.»