Meister Eckhart (1)
Meister Eckhart
Einheit von Wissenschaft (doctrina) und (Welt)Frömmigkeit (devotio). Selbstentäußerung des Menschen und Selbstmitteilung Gottes bedingen einander. Tugend ist weniger ein durch Übung erworbener Habitus als eine durch Gott sich vollziehende Gleichschaltung mit Gott – ethica sive theologia; Eckhart rezipiert also die Nikomachische Ethik nicht, welche die Ethik als praktische Wissenschaft von der Theologie abgrenzt.
Gelassenheit/Abgeschiedenheit: Lassen seiner selbst. „Die Vollkommenheit besteht darin, dass sich der Mensch gänzlich und vollkommen seinem lieben Gott zukehre in einer unerschütterlichen Liebe.“ Das Lassen seiner selbst, das die Entäußerung Gottes nachvollzieht, führt in das Einssein mit Gott.
Der Glaube erleuchtet die menschliche Vernunft zur Erkenntnis der göttlichen Wahrheit. Eckharts zentrale Denkfigur: Gottwerdung des Menschen durch die Menschwerdung Gottes: deus est intellegere = Gott ist, weil er erkennt. (cogito ergo sum?); dies richtet sich gegen die Franziskaner, die den Willen für wichtiger hielten als den Intellekt (und steht in einem Spannungsverhältnis zu Kants „Die Tugend und alles Gute liegt im guten Willen.“ Begründung: Der Prolog des Johannes-Evangeliums beginnt mit: „Im Anfang war das Wort“ und nicht mit „Im Anfang war das Sein“! Denn sobald man zum Sein kommt, kommt man zum Geschöpf, während der Intellekt nicht geschaffen, nicht-seiend, über-wesenhaft ist: Gott ist nicht seiend.
Gottesgeburt in der Seele des Menschen, in meiner Seele.
Große Gleichung wie bei Nietzsche: Wollen = Erschaffen.
Einnamigkeit: Univozität = glicheit.
Dreifaltigkeit ist eine Unterscheidung nach der Person, aber nicht nach der Natur: nach der Natur sind die Drei Eins.
Das Hervorbringende und das Hervorgebrachte sind auf gleicher Augenhöhe: Vater und Sohn.
[Gilt das sowohl für die Zeugung wie die Herstellung?? Wohl nur für die Zeugung, denn über die Herstellung verfügt der Herstellende, d. h. der Schöpfer steht über seinem Werk].
Der Fassreifen auf dem Wirtshausschild verweist auf den im Keller vorhandenen Wein, ist aber nicht der Wein; so verweist die Kreatur auf Gott, ist aber nicht Gott. „Deus est esse“ und „Esse est deus.“ M. E. vertritt diese Ko-implikation, aber die Analogielehre bewahrt ihn, M. E., vor dem Vorwurf des Pantheismus.
„Die Kreatur ist nur, insofern ihr Gott „gegenwärtig“ ist. Sonst ist sie nichts.“ (Largier).
Forma substantialis – esse – substantia ist zu unterscheiden vom esse hac et hoc, d. i. das, was wir gewöhnlich die Wirklichkeit, die sichtbare Welt nennen. Für M. E. tritt die Göttlichkeit des Menschen als Kontrast zur Welt in ihrer Nichtigkeit hervor.
Bernhard Welte
S. 25 „Wir verstehen Denken als Phänomenologie, d. h. als ein Freilegen und Bergen des sich selber Zeigenden.“
S.33 Fn. 3 G. Stephenson: Gottheit und Gott in der spekulativen Mystik M.E.’s 1954 Bonner Diss.
S.37 reines Seinlassen: der Mensch soll nicht alle Bilder abschaffen sondern dieser inne sein ohne Eigenschaft.
S.31f. Geist ist Helle, von nichts getrübt – Lukas „Jesus trat in ein Bergstädtchen ein, und eine Frau namens Martha nahm in auf in ihr Haus“: Bergstädtchen = Geist des Menschen
S.42 intellectus als unbegrenzte Offenheit: wir sind bei keiner Grenze des Wissens zufrieden und streben über jede Grenze hinaus – [Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,/ so buhlt er fort nach wechselnden Gestalten/ ….“]. Wir leben im Unbegrenzten einer grenzenlosen Offenheit